Das Ende naht
Ab heute steht der ZDF-Achtteiler „Der Schwarm“ zum Abruf in der Mediathek bereit. Mit 40 Millionen Euro hat sich der öffentlich-rechtliche Sender die Verfilmung des Weltbestsellers von Frank Schätzing einiges kosten lassen. Die Frage ist: War’s das wert? Der Autor selbst verneint vehement, aber er ist befangen. Auch erste Kritiken fielen nicht gerade euphorisch aus, aber das muss nichts heißen. Um wirklich mitreden zu können, geht kein Weg daran vorbei, sich auf das angebliche Serien-Event des Jahres einzulassen.
Das Buch scheint unverfilmbar: Einzeller, die sich zu einem intelligenten Superorganismus vereinen, greifen die Menschen an, um ihren Lebensraum vor der totalen Zerstörung zu bewahren. Sie funktionieren Meeresbewohner zu Kampfgeräten um und setzen als biochemische Waffe ein tödliches Virus ein. Die Menschheit reagiert wie immer: Wissenschaftler machen sich daran, den unbekannten Gegner kennenzulernen, das Militär will ihn einfach eliminieren. Vernunft gegen Aggression: Schätzing bemüht hier ein wiederkehrendes Motiv der Menschheitsgeschichte, verändert aber das Paradigma. Was, wenn die Vernunft gewinnt?
In einem ZDF-Interview bezeichnete Frank Schätzing seinen Roman als „Abenteuergeschichte“, die Titulierung als Ökothriller fand er nicht zutreffend. Sein Hauptziel, so der Autor, sei gute Unterhaltung, er wolle nicht belehren oder mahnen. Trotzdem umweht seine Geschichte der Nimbus der ökologischen Katastrophe, die er zur maximalen Eskalation treibt. Die Schuldigen sind leicht ausgemacht. Kleiner Tipp: Sie stehen auf zwei Beinen und schwimmen nicht als Gallerte durch die Weltmeere. Dass Vieles von dem, was Schätzing beschreibt, heute in kleinerer Dimension Wirklichkeit ist, liegt an der sorgfältigen wissenschaftlichen Recherche, die der Autor in sein Buch gesteckt hat. Fünf Jahre lang habe er recherchiert, zwei Jahre geschrieben. Ein Verhältnis, das sich in der Qualität des Buches niederschlägt: Inhalt top, Sprache naja.
Nicht alles mit einer hysterischen MeToo-Empörung bewerten.
Dass bei einer Umsetzung auf acht Mal 45 Minuten einiges an Komplexität aus dem 1000-Seiten-Wälzer auf der Strecke bleiben muss, war auch Frank Schätzing klar. Moniert hat er aber, dass es „mehr pilchert als schwärmt“, wobei diese Tendenz abzusehen war. Im Buch sind die Beziehungen der Protagonisten Sympathie-Sensoren in einer komplexen Gemengelage verschiedener Interessen und Ambitionen. In der Serie werden sie wohl eher im Zentrum der Handlung stehen, die sich um sie herum abspielt – das zumindest würde Schätzings Kritik inhaltlich erklären. Dass die personellen Konstellationen im Roman nicht mehr den Zeitgeist abbilden, so die Haltung der Serienmacher, ist blanker genderwahngetriebener Unsinn. Das Verhältnis von Frauen und Männern ist völlig ausgewogen und ob nun Sigur Johanson, der norwegische Wissenschaftler und das unverkennbare Alter Ego des Autors, auf jüngere Frauen anziehend wirkt oder nicht, muss man nicht gleich wieder mit einer hysterischen MeToo-Empörung bewerten.
Was Frank Schätzing meint, wenn er die Produktion als mutlos bezeichnet, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Letztlich geht es um nichts Anderes als Fernsehunterhaltung – und hier finde ich es vom Autor nur fair, wenn er selbst sagt: „Wenn es dem Publikum gefällt, ist das doch gut.“ Tauchen wir also ein in die dystopische Szenerie einer Welt am ökologischen Abgrund, in der die vermeintliche Intelligenz der Menschen von einer gallertartigen Einzellermasse in Frage gestellt wird. Möglicherweise ist die wichtigste Frage am Ende die, ob sich die Wirklichkeit mit erschreckender Geschwindigkeit der Romanvorlage annähert. Die Antwort darauf findet man jedenfalls nicht in den Abyssalen der Weltmeere.
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