Auf Spurensuche im Traumland
In seinem jüngsten Fall „Dreams“ ermittelte das Dream-Team aus München in einem eventuellen Mord, den die Tatverdächtige geträumt hatte – oder eben nicht. Wie genau luzides Träumen funktioniert und warum sich hochtalentierte Nachwuchskünstler und -sportler beim Schlafen verkabeln lassen und so angeblich ihre Leistung steigern, war in diesem Fall völlig nebensächlich. Der Clou am gestrigen Tatort war das Wortduett zwischen Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl. Da war fast noch mehr Musik drin als in den Einspielungen des Bayerischen Rundfunkorchesters.
Der Arbeitsplatz der Profi-Musiker war Schauplatz einer merkwürdigen Handlung, in der es um leistungsfördernde Schlafmethoden (ist Schlaf nicht immer leistungsfördernd?), junge Talente am Rande des Wahnsinns, Medikamentenmissbrauch in Künstlerkreisen und Leistungsdruck in der Welt der klassischen Musik ging. Wie da genau ein Turner hineinpasst – außer als Objekt der Eifersucht – erschloss sich dem Betrachter nicht. So richtig logisch war an dem Drehbuch ohnehin nicht viel und sollte es wohl auch nicht sein. Allerdings ist es etwas Anderes, den Zuschauer in die Irre zu führen als blanke Verwirrung zu stiften. Wer träumt was und vor allem warum? Zum Glück war das nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen musste.
Das Spannungsfeld erzeugte weniger der Fall als vielmehr die Auseinandersetzung des Ermittlerpaares damit. Bodenständige Münchner Beamten suchen in der Welt der Träume und der hohen Künste eine Leiche – da sprachen Blicke bisweilen Bände und die Kommentare steckten voll trockenem Humor. Die Souveränität, mit der Batic und Leitmayr nach 30 Jahren gemeinsamer Arbeit gegen jegliche Auswüchse der Münchner Gesellschaft angehen, ist legendär. Da ist es auch egal, wenn sie mal kein großes Verbrechen aufzuklären haben. Die erfahrenen Silberfüchse aus München haben gemeinsam schon so viele knallharte Fälle gelöst, dass ihnen ein bisschen Entspannung gegönnt sei.
Am Duo Leitmayr/Batic prallt die Schicki-Micki-Masche ab wie der Fußball beim Pfostenschuss.
Wenn den beiden Herren aus der Abteilung Tötungsdelikte da mal ein paar neurotische Jungmünchner vor der Nase herumturnen, bringt sie das kaum mehr aus der Fassung. Bei einem Duo, das genauso gut aufeinander eingespielt ist wie das Münchner Rundfunkorchester, prallt der Schmarrn der hippen Schicki-Micki-Masche ab wie der Fußball beim Pfostenschuss. Da kommt Assistent Kalli gerade recht, der in seinem jugendlichen Eifer natürlich schon „in“ sein möchte: „Der Mantrailer hat nix gefunden“, sagt er dann zum Beispiel. Und Leitmayr darauf: „Mei, sag halt Spürhund. Oder willst zum FBI.“ Das ist Bayern-Charme vom Feinsten.
Das Dilemma der München-Tatorte, dass die Nebendarsteller oft verblassen, spielte in diesem Tatort keine Rolle. In der seltsamen Mischung aus Traum und Wirklichkeit agierten Nemec und Wachtveitl hellwach und teilten mit wunderbarer Leichtigkeit Seitenhiebe auf den Snobismus und die Arroganz der gentrifizierten Münchner Gesellschaft aus. Kein besonders guter Krimi, aber eine amüsante Satire. Zur Abwechslung auch mal in Ordnung.
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