Die Sternchensemantik – die Supernova der Emanzipation
Ohne die mutigen Frauenrechtlerinnen, die eingezwängt in Korsetts und gesellschaftliche Konventionen für die Emanzipation kämpften, würden wir Frauen vermutlich immer noch Käseigel für den Fernsehabend zusammenstecken und für den Gatten Socken in den Farben des Lieblings-Fußballvereins stricken. Sowas in der Art. Ob sie nun als Suffragetten für das Frauen-Wahlrecht auf die Straße gingen oder als intellektuelle Überflieger wie Marie Curie, Rosa Luxemburg oder Ruth Bader Ginsburg in männliche Domänen einbrachen: Diesen Frauen haben wir viel zu verdanken. Auch die Männer übrigens, denn das gesellschaftliche Miteinander auf Augenhöhe ist doch viel amüsanter.
Trotzdem ist noch zu viel übrig vom biblischen Bild der Frau, die aus der Rippe eines Mannes geformt sein soll – dass es eine Rippe sein musste, kein Oberschenkelknochen, kein Teil des Beckens oder gar des Schädels, sagt schon viel über die Wertschätzung aus, die dem frühchristlichen „Weib“ entgegengebracht wurde. Erst als uterale Transportbox für den Messias gewann die Frau ein bisschen an Ansehen. Nun scheint das lange her zu sein und die folgenden Beispiele entspringen auch keiner christlichen Mythologie. Tatsache ist aber, dass in Ländern wie Indien oder Pakistan Männerhorden Frauen vergewaltigen und sogar anzünden dürfen, ohne eine Strafverfolgung fürchten zu müssen. In der Türkei werden heute noch Mädchen mit alten Säcken verheiratet, die ihre Kindfrauen auch ungestraft misshandeln. Sogar in fortschrittlicheren Gegenden wird Gewalt gegen Frauen nicht zwingend geahndet.
Es gibt also noch viel zu tun – deshalb packen wild entschlossene deutsche Frauenrechtlerinnen jetzt an. Mit SPD-Gallionsfigur Saskia Esken, der Frau im roten Hosenanzug, setzen sie Zeichen. Einmal anti-modisch mit einem Outfit, das in seiner grausamen Scheußlichkeit die Verballhornung emanzipatorischer Errungenschaften in Signalfarbe herausschreit und dann semantisch, also buchstäblich in der Zeichensetzung. Wir hier in Deutschland „gendern“, das heißt, wir sprechen die Bezeichnungen für Menschen, die in Gruppen auftreten, so aus als hätten wir Schluckauf: Demonstrant-(kurze Pause:)Innen, Bürger-(kurze Pause:) Innen, Schüler-(kurze Pause:)Innen. Und wir schreiben sie jetzt auch seltsam: mit Sternchen – was gerade bei Politiker*innen extrem schwer fällt, weil man ihnen für ihre peinlichen Nicht-Leistungen in der Regierung eigentlich gar kein Sternchen geben möchte.
Und ganz sicher hilft es keiner einzigen Frau in Gesellschaften, die in jeder Hinsicht eine andere Sprache sprechen.
Aber es ist natürlich ein gewaltiger Schlag ins Kontor männlicher Schaffenskraft. Immerhin formten hauptsächlich Männer wie Martin Luther, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Heinrich Heine oder Thomas Mann unsere deutsche Sprache – das zwar schön, edel und einzigartig, aber halt mit männlicher Handschrift. Und zerstört werden muss, was zerstört werden kann, so scheint es zumindest. Tatsächlich wird das nicht mehr Frauen in Führungspositionen hieven und auch ihre Gehälter nicht auf das Niveau der männlichen Kollegen steigen lassen. Und ganz sicher hilft es keiner einzigen Frau in Gesellschaften, die in jeder Hinsicht eine andere Sprache sprechen. Aber es ist geradezu charakteristisch für die neue deutsche (Un-)Bedeutsamkeit: Wir sind die Weltmeister der klein-klein-Politik, die Usain Bolts in der „Ein-Schritt-nach-vorn-zwei-Schritte-zurück“-Disziplin, die Verwalter der etablierten Insuffizienz. Nicht nur in Fragen der Gleichstellung aller Geschlechter braucht es deshalb vor allem eines: Neue Vordenker. In der Sache ist es da ganz egal, ob das Frauen, Männer, Transgender oder Außerirdische sind.
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